»Auf dem Wege zur Gesamtdigitalisierung des gedruckten Kulturgutes im deutschen Sprachraum« - ein Memorandum of Understanding der Bibliotheken der Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke
Es ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit, das gedruckte kulturelle Erbe des deutschen Sprachraums in eine digitale Form zu überführen, denn nur so wird sichergestellt, dass kostbare und für die Wissenschaft wichtige Quellen auch im digitalen Zeitalter präsent bleiben und in Zukunft genutzt werden. Langfristiges Ziel ist daher nichts Geringeres als die Gesamtdigitalisierung und mithin Überführung unserer kulturellen gedruckten Überlieferung in ein computerlesbares und weltweit über Internet verfügbares Medium.
Mit Blick auf dieses Ziel sehen es die Bibliotheken der »Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke« (AG SDD) als ihre Aufgabe an, den Gedanken einer verteilten Nationalbibliothek auch in das digitale Zeitalter zu überführen, und sie bekunden ihre Absicht, unter Wahrung des Urheberrechts ein Referenzkorpus zu schaffen, das sich an gleichartigen internationalen Initiativen messen lassen kann.
Die Digitalisierung wird nicht nur die Zugangs- und Nutzungsbedingungen revolutionieren, sondern hilft auch, die wertvollen und oft vom Zerfall bedrohten Originale in ihrer Materialität zu schützen.. Die »Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes« unterstützt die Initiative und Zielstellung ausdrücklich und sieht in den digitalen Zugriffsmöglichten auf das Sekundärmedium einen wichtigen Beitrag zur Schonung und zum Schutz der originalen Drucke.
Die Bibliotheken der AG SDD schließen mit ihrer Initiative an das erfolgreiche Erwerbungs-und Erschließungsprogramm an, das seit über 15 Jahren durchgeführt wird und wesentlich zur Verbesserung der Versorgung der Wissenschaft mit Quellenwerken beigetragen hat. Die Bestände der SDD-Bibliotheken wurden und werden immer weiter verdichtet, so dass die an diesen Orten vorhandenen einzigartigen Sammlungen nicht nur repräsentativ die Literaturproduktion des betreffenden Zeitsegments widerspiegeln, sondern auch entlegenere, oft nur noch in Einzelstücken erhaltene Publikationen umfassen.
Die Bibliotheken der AG SDD bieten mit diesen Sammlungen nicht nur den vollständigsten Fundus und Ausgangspunkt für die Digitalisierung der gedruckten kulturellen Überlieferung im deutschen Sprachgebiet. Ihre langjährige Kooperation hat sich als Organisationsmodell bewährt. Sie soll auch im Auf- und Ausbau einer verteilten digitalen Nationalbibliothek zum Tragen kommen, indem die Bibliotheken Mittel einwerben und arbeitsteilig signifikante Teile ihrer Bestände digitalisieren und erschließen. So können unnötige Doppeldigitalisierungen vermieden und eingesetzte Mittel optimal genutzt werden. Die Orientierung an Drucken des deutschen Sprachraums erlaubt zudem auch auf europäischer Ebene ein arbeitsteiliges Vorgehen.
Einen ersten wichtigen Schritt hat die AG SDD mit der Mitinitiierung und Durchführung des von der DFG geförderten Projektes »Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke« unternommen, das die strukturelle Voraussetzung für einen bundesweit zentralen Nachweis von Digitalisaten schafft.
Im Zuge des jetzt zügig zu vollziehenden Einstieges in die über Jahre hin angelegte programmatische Digitalisierung ist es Ziel, sowohl ein substanzielles, nach den Kriterien der Forschungsrelevanz, Seltenheit, Nachfrage, kultureller Bedeutung und konservatorischem Zustand gebildetes Referenzkorpus aufzubauen, als auch die Geschäftsgänge und eingesetzten Techniken zu optimieren und zu beschleunigen. Best practice Lösungen sollen zu Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen führen, die es erlauben, die Digitalisierungsdurchsätze systematisch zu erhöhen, ohne bei der Qualität der Angebote Abstriche machen zu müssen.
Um diese Ziele zu erreichen, verpflichten sich die Bibliotheken der AG SDD auf folgende Vorgehensweise:
- Die Bibliotheken der AG SDD digitalisieren aus ihren Beständen urheberrechtsfreie Drucke von der Inkunabelzeit bis zur Gegenwart arbeitsteilig nach den zeitlichen Grenzen der AG SDD und bieten sie frei über Internet an.
- Die Auswahl dessen, was digitalisiert wird, wird nach Konsultationen mit der Forschung durch die SDD-Bibliotheken vorgenommen.
- Die Bibliotheken wenden bei der Digitalisierung einheitliche, den Beständen und dem Ziel einer kooperativen Digitalisierung angemessene Standards an.
- Die SDD-Bibliotheken verpflichten sich, die elektronischen Ausgaben zu erschließen und über die jeweiligen Verbünde sowie über das »Zentrale Verzeichnis Digitalisierter Drucke« nachzuweisen. Sie sorgen für eine dauerhafte Zugänglichkeit der Ressourcen über persistente Identifier (PURL, URN).
- Die Bibliotheken streben an, in einer Projektlaufzeit von drei Jahren arbeitsteilig nach Zeitsegmenten eine umfangreiche digitale Referenzbibliothek aufzubauen, die den Nukleus zu einem weiteren Ausbau bietet. Um dies zu erreichen, werden die vorhanden Geschäftgänge und Techniken systematisch auf die Erfordernisse, die sich aus den angestrebten Größenordnungen ergeben, hin optimiert und best practice Verfahren entwickelt.
- Die SDD-Bibliotheken streben an, transferierbare Methoden zu entwickeln, um weitere Bibliotheken oder Kulturinstitutionen einzubinden und ein deutschlandweites Programm anzustoßen bzw. an einem solchen federführend mitzuwirken, das die schrittweise Gesamtdigitalisierung des gedruckten kulturellen Erbes zum Ziel hat. Vorrangiges Ziel dabei ist, funktionale organisatorische Strukturen für eine sinnvolle Arbeitsteilung zu schaffen und weitere Geldgeber zu gewinnen.
- Weiteres Ziel ist es, im Rahmen der Initialphase in Einzelprojekten innovative automatisierte Verfahren zur Erschließung alter Drucke anzustoßen. Dazu gehört die Erprobung von fortgeschrittenen OCR- bzw. automatisierten Strukturerkennungsverfahren, die auch in Public-Privat Partnership Programmen verfolgt werden sollen.
- Die SDD-Bibliotheken verpflichten sich, das Digitalisierungsprogramm dauerhaft fortzuführen.
- Die Deutsche Bibliothek koordiniert die Langzeitarchivierung der digitalen Quellen.
Die Direktoren der AG SDD
2.1.2006
Auf der SDD-Direktorensitzung am 13.4.2011 wurde folgende Änderung beschlossen:
Die ursprüngliche Beschlusslage zur Erwerbung von Zeitungen im Rahmen der Sammlung Deutscher Drucke: »Zeitungen bis 1912 werden in Abstimmung mit den Sammlungen des Instituts für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund und der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (Sondersammelgebiet der DFG) erworben.« wird wie folgt ersetzt:
»Die Bibliotheken der AG SDD übernehmen für die Erwerbung und Bestandserhaltung von Zeitungen im Original sichtbar Verantwortung. Der erweiterte Zeitraum entspricht den Lösungen für andere Sondermaterialen (Karten, Notendrucke):
1450 - 1600 Bayerische Staatsbibliothek München
1601 - 1700 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
1701 - 1800 Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
1801 - 1912 Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
1913 ff. Deutsche Nationalbibliothek«