Ausgewählte Erwerbungen der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
(1701 - 1800)
Liber sine titulo
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Das Manuskript dieses Werks ist höchst ungewöhnlicher Herkunft: Laut seinem Titel wurde es am 4. Mai 1783 von Johann Martin Blasius, Wurzelgräber und Apenbeerpächter, auf dem Blocksberg gefunden und zum Druck gebracht. Schon der Fundort lässt nichts Gutes ahnen, und der Verdacht auf die finstere Herkunft des Werks bestätigt sich schon in der Vorrede: Der Verfasser ist nämlich laut Eigenaussage „Urheber des Stolzes und der Unverschämtheit“ – hier schreibt also angeblich der Teufel persönlich.
In dem kleinen gedruckten Heft aus dem Jahr 1784 wird die Gesellschaft aus der Perspektive des Teufels geschildert, der sich in der Ich-Form an die Leser wendet. Indem der Leibhaftige über seine Person, Herrschaft, Untertanen, sein Verhalten sowie über Religion, Sitten und Gebräuche in seinem Reich berichtet, wird die Gesellschaft der Zeit in satirischer Form aufs Korn genommen. Kritisiert werden einerseits der „Aberglauben“ der Altgläubigen, andererseits Unglauben bzw. Areligiosität sowie Leichtgläubigkeit, Rationalismus, Selbstüberschätzung und mangelnde Bildung. Der Verfasser ist wohl protestantischer Einstellung, denn zum Schluss heißt es (S. 49f.): „Am Ende noch etwas in das Ohr der Doktor-Luther-Köpfe: Für sie habe ich nicht geschrieben, wie sie zu ersehen belieben werden, inzwischen kann es ihnen nichts schaden, wenn sie den Unterschied zwischen ihrer und meiner Sittenlehre und Religion genauer, und zwar durch mich selbst kennen lernen. Fürchten dürfen sie sich dieserwegen nicht vor mir, denn mit ihnen mag ich nichts zu thun haben, nehmen sie mirs nicht übel.“