Ausgewählte Erwerbungen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
(1601 - 1700)
[Johann Michael Moscherosch:] Ein schön new Lied genannt Der Teutsche Michel/ [et]c. Wider alle Sprachverderber/ Cortisanen/ Concipisten und Concellisten/ welche die älteste teütsche Muttersprach mit allerley frembden/ Lateinischen/ Welschen/ Spannischen vnd Frantzösischen Wörtern so vielfältig vermischen. Ohne Ort 1641.
(Erwerbung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur HAB: Einbl. Xb FM 352)
Bild / Video 7 / 33
Die Herzog August Bibliothek wählt erneut eine Erwerbung von dem Dichter und Satiriker Johann Michael Moscherosch (1601˗1669) für die Rubrik „Buch des Monats“ aus: Ein bislang nicht in deutschem Bibliotheksbeständen bekannter illustrierter Lied-Einblattdruck aus dem Jahr 1641, der sich zeitkritisch mit dem Verlust ethischer und kultureller Werte auseinandersetzt.
Moscherosch zählt zu den bedeutenden literarischen Autoren des deutschen Barock. Er publizierte auch unter dem Pseudonym Philander von Sittewald. Sein Gesellschaftsname in der Fruchtbringenden Gesellschaft, in die er 1645 aufgenommen wurde, lautete Der Träumende, was sich auf Moscheroschs bekanntestes Werk, die satirische Erzählsammlung Wunderliche und Warhaffte Gesichte Philanders von Sittewalde bezieht. Diese ab 1640 veröffentlichten satirischen Erzählungen lehnen sich an die Sueños von Francisco de Quevedoy y Villegas (1580˗1645) an.
Das auf einer deutschen Auktion erworbene Blatt ist anonym erschienen, übernimmt aber weitgehend Passagen aus dem zweiten Teil von Moscheroschs Gesichten. Seine literarische Bedeutung war von den Zeitgenossen früh erkannt worden und kam auch darin zum Ausdruck, dass seine Gedichte und Texte häufig für Flugblatt-Publikationen ausgewählt wurden. Solche Lieddrucke wurden beinahe immer ohne Noten, aber mit dem Hinweis auf eine bekannte andere Melodie (hier: „Im Thon: Wo kommt es häre/ daß zeitlich Ehre/ etc.“) veröffentlicht.
Der Kupferstich zeigt einen eitlen Modenarr mit Spazierstöckchen und knüpft die Verbindung zu Moscheroschs Zeitkritik: Er mahnt vor der kulturellen Fremdorientierung, die sich schon in dem Vergnügen vieler an modischer Kleidung ausdrücken würde, vor allem aber in der Vermischung deutscher Sprache mit fremdsprachigen Ausdrücken. Diese Sprach„verderbung“ zeigen die Verse in etlichen Beispielen entlang der Buchstaben des Alphabets an:
… „30. Was ist ein dignitet/ ist es die Morgenröth/
was ist ein qualitet/ sag an Knospet/
was ist Commoditet/ was die Neutralitet/
was sey Ballet Trombet/ kein Baur versteht“….
Bislang bekannt waren wenige Exemplare des Blattes, die 1642 gedruckt worden waren. Mit der Ersteigerung dieses Stückes auf einer deutschen Auktion steht nun auch ein Exemplar der ein Jahr früher schon erschienenen Ausgabe in öffentlichem Bibliotheksbesitz zur Verfügung.