Ausgewählte Erwerbungen der Bayerischen Staatsbibliothek München
(1450 - 1600)
Rudolph de Lasso: Opusculum novum. Hoc est. Canones, Duarum, Trium, Et Plurimum Vocum, Ante Hac Neque Visi Neque Prel[i]o Subiecti, nunc primum, summa diligentia compositi & in unum libellum redacti, in usum & gratiam omnium artis Musicæ cultorum, studiosorum & tyronum. A Rudolpho De Lasso, Serenißimi utriusq[ue] Bauariæ Ducis Maximiliani &c. Organista. München : Adam Berg, 1599.
(Erworben von der Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur: Mus.pr. 2018.985)
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Rudolph de Lassos (ca. 1563-1625) Name ist heute vor allem dadurch bekannt, dass er zusammen mit seinem älteren Bruder Ferdinand eine posthume Gesamtausgabe aller mehr als 500 Motetten seines 1594 verstorbenen Vaters Orlando di Lasso und weitere eigene Werke zusammen mit denen seines Vaters veröffentlichte.
Heute vernachlässigt ist, dass sich Rudolph de Lasso als Hoforganist des bayerischen Herzogs Wilhelm V. etablierte, als Musiklehrer für die Knaben des Jesuitenkollegs in der 1597 errichteten, von der Societas Jesu betreuten Kirche St. Michael wirkte und auch aufgrund seiner überwiegend geistlichen Kompositionen schließlich Hofkomponist des Herzogs Maximilian I. wurde. Viele von Rudolphs Werken gelten als verschollen, und insbesondere für seine frühe Schaffenszeit bis 1600 sind bis auf 25 Vertonungen aus Ulenbergs Psalter (1588) keine Quellen bekannt.
Die Kanon-Sammlung, welche Rudolph de Lasso 1599 beim langjährigen Münchener Verleger seines Vaters zum Druck gab, war bisher – abgesehen von einem zeitgenössischen Vermerk im historischen Bibliotheks-Katalog aus der Kantorei des evangelischen Gymnasiums St. Anna in Augsburg – völlig unbekannt.
In Bezug auf die Musikausbildung, das Erlernen und Anwenden musikalischer Fähigkeiten im Singen und für das Verständnis von Komposition an sich durch die „Tyrones“, also die unerfahrenen Schüler, bot die Beschäftigung mit Kanons im Musikunterricht in der Zeit der Vokalpolyphonie einen goldenen Weg. Alle Regeln der Konsonanz, der Metrik und der Polyphonie können mithilfe von Kanons unterrichtet werden. Die Kunst des Komponisten ist ausschlaggebend für die Schwierigkeit der „Auflösung“ und den entstehenden musikalischen Reichtum. Die Notation erfolgt einstimmig, denn die verbal und durch Symbole vorgegebene Regel bestimmt den Kanon.
Da abstrakte Kanon-Sammlungen ohne Bindung an eine musikalische Gattung – z.B. Messensätze, Motetten, Chansons – selten im Druck veröffentlicht wurden, ergänzt dieser Druck nicht nur das Wissen aus Rudolph de Lassos frühem Schaffen, sondern erweitert das Bild der Gattung „Kanon“ an sich um einen wichtigen Beitrag.