Ausgewählte Erwerbungen der Bayerischen Staatsbibliothek München
(1450 - 1600)
Eigendtliche Abbildung, Deß Hochgelehrten Herrn D. Georgen Millers, geweßnen Superintenden in der Evangelischen Kirchen in Augspurg, In dessen er auff der Cantzel gestanden, Gelehret vnd Geprediget hat. Beneben auch augenscheinlicher Verzeichnuß, seines gefährlichen Zustandes vnd wunderbarlicher erledigung. [Augsburg? um 1584] – altkolorierter Holzschnitt, darunter drei Spalten Text.
(Erworben von der Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur: Einbl. XI,1126)
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Als Papst Gregor XIII. am 24.2.1582 die Reform des Julianischen Kalenders und im September 1582 auf dem Reichstag zu Augsburg die Übernahme des Gregorianischen Kalenders im ganzen Reich forderte, schlossen sich zwar die katholischen, nicht aber die evangelischen Reichsstände an. Auch weigerten sich zahlreiche evangelische Geistliche, die päpstliche Anordnung umzusetzen. So wurde der neue Kalender in katholisch geführten Ländern zeitnah, in den evangelischen Territorien erst mit zum Teil erheblicher Verspätung eingeführt.
In Augsburg führte 1583 der Beschluss des überwiegend katholischen Stadtrats, den Gregorianischen Kalender einzuführen, zum Zerwürfnis zwischen der überwiegend protestantischen Bevölkerung und schließlich im weiteren Verlauf zum sog. „Augsburger Kalenderstreit“.
Von evangelischer Seite aus wurde die „Verrickung der Feiertage“ als Bruch des Augsburger Religionsfriedens angesehen, darüber hinaus erging die Reform auf Anordnung des Papstes, der den Protestanten gegenüber keine Weisungsbefugnis hatte. Die evangelischen Ratsmitglieder protestierten gegen den Mehrheitsbeschluss des Augsburger Stadtrates und schalteten das Reichskammergericht ein, um die unerwünschte Kalenderreform wieder rückgängig zu machen. Diese Klage wurde 1584 abgewiesen und die Reform trat endgültig in Kraft, was die Spannungen zwischen den Konfessionen noch verstärkte.
Einer der eifrigsten Gegner dieser Ratspolitik war der Superintendent Georg Mylius (1548-1607), der zu den einflussreichsten, aber auch umstrittensten lutherischen Geistlichen der Reichsstadt Augsburg zählte. Georg Mylius, Sohn eines Handwerkers in Augsburg, studierte Theologie in Tübingen, Marburg und Straßburg und kehrte 1572 als Diakon der Hl.-Kreuz-Kirche in seine Heimatstadt zurück. Nach der Promotion 1579 in Tübingen zum Doktor der Theologie wurde er Superintendent und Pfarrer an St. Anna in Augsburg.
Die Spannungen entluden sich endgültig im Sommer 1584, als die evangelischen Prediger ankündigten, den anstehenden Himmelfahrtstag nach altem Kalender zu feiern. Es kam zur Absetzung der evangelischen Kirchenpfleger und zur Einschränkung ihrer Kompetenzen durch den Augsburger Stadtrat. Georg Mylius wurde aufgefordert, die Stadt unverzüglich zu verlassen. Dies führte zu Tumulten unter den Anhängern Mylius‘, die den Wagen kurz vor dem Stadttor stürmten und den Superintendenten vor der Ausweisung retteten.
Ein offener Aufstand brach aus, der sich hauptsächlich gegen die katholischen Ratsherren richtete. Zahlreiche Prediger und bürgerliche Opponenten wurden der Stadt verwiesen, Mylius selbst floh am 3. Juni nach Ulm, von wo aus er sich nach einem kurzen Aufenthalt nach Mitteldeutschland wandte und schließlich in Wittenberg und Jena lehrte.
In den folgenden Jahren gewannen die ausgewiesenen Gegner der Kalenderreform von ihrem Exil aus zahlreiche evangelische Fürsten für ihre Sache. In Augsburg wiederum wurden die vom Rat eingesetzten Prediger von einem Großteil der evangelischen Bevölkerung abgelehnt und die Feiertage weiterhin nach dem Julianischen Kalender begangen. Seit den frühen 1590er-Jahren kamen schließlich die meisten Exilanten wieder zurück nach Augsburg.
Die Vorgänge fanden als „Augsburger Kalenderstreit“ ein reges publizistisches Echo, das sich in etlichen Flugschriften und Einblattdrucken niederschlug. Der kolorierte Holzschnitt des hier vorliegenden Einblattdrucks zeigt die Vorgänge um Mylius vor dem „Gögginger Tor“ in Augsburg.