Ausgewählte Erwerbungen der Bayerischen Staatsbibliothek München
(1450 - 1600)
Herman Weigere: En Ræffue Bog som kaldes paa Tyske Reinicke Foss
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„Reineke Fuchs“, das berühmte niederdeutsche Tierepos des Mittelalters, erzählt in Versen und Prosakommentaren (Glossen) von den Übeltaten des gerissenen und genialen Fuchses Reineke. Dieser hat mit seinem Verhalten gegen die gesellschaftliche Ordnung verstoßen und sich verschiedenster schwerwiegender Verbrechen schuldig gemacht, für die er in zwei Gerichtsverfahren angeklagt wird. Er schafft es jedoch, sich raffiniert mithilfe von allerlei Listen und niederträchtigen Lügen aus dieser prekären Situation zu retten und schließlich auch noch als Sieger gegen seine geschädigten und betrogenen Widersacher durchzusetzen.
Während im Verstext in zwei Erzählungen das ganze Repertoire der Übeltaten aufgeführt wird, verweisen die Prosakommentare auf gültige Verhaltensregeln und christlich-moralisierende Lebensweisheiten, in denen in den älteren Fassungen Kritik an der Käuflichkeit und Schmeichelei bei Hofe geübt wird.
Das Versepos erschien 1498 in Lübeck in gedruckter Form und wurde im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts mehrfach aufgelegt und überarbeitet. Ausgehend von den Rostocker Drucken von 1539/49, in denen der Prosakommentar in humanistisch-protestantischem Sinne umgestaltet und die katholische Kirche, gesellschaftliche Einrichtungen sowie zeitgenössische Persönlichkeiten scharf kritisiert wurden, verbreitete sich das Werk weiter. Die an die Rostocker Ausgaben anknüpfende dänische Übersetzung der niederdeutschen Fassung, von dem Kopenhagener Kaufmann Herman Weigere 1555 veröffentlicht, bildet wiederum den Anfang der skandinavischen Tradition. Weitere zahlreiche Nachdrucke bis weit in das 17. Jahrhundert bezeugen die Beliebtheit des „Reineke“, der sich im 18. Jahrhundert zum Volksbuch und nach Goethes und weiterer zahlreicher Bearbeitungen immer mehr zum unterhaltsamen und lehrreichen Kinderbuch entwickelte.