Ausgewählte Erwerbungen der Bayerischen Staatsbibliothek München
(1450 - 1600)
Jörg Wickram: Der Goldfaden.
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"Der Goldfaden", einer der beliebtesten Prosaromane des 16. Jahrhunderts, schildert den sozialen Aufstieg des armen Hirtensohnes Lewfrid, der aufgrund seiner ritterlichen Tugenden und heldenhaften Taten geadelt wird, die Tochter eines Grafen ehelicht und als Herr über die Grafschaft ein gottgefälliges Leben führt.
Lewfrid, der seinen Namen einem bei der Herde seines Vaters auftauchenden zahmen Löwen verdankt, wird von dem Kaufmann Hermanus und dessen Frau aufgezogen. Als er sich in die Dienste eines Grafen begibt, macht dieser ihn aufgrund seines schönen Gesangs zum Diener seiner Tochter Angliana. Lewfrid verliebt sich in die Grafentochter, die ihm zur Prüfung seiner Liebe einen Goldfaden zur Aufbewahrung schenkt. Lewfrid näht sich diesen als Liebespfand in eine Wunde auf seiner Brust ein und gewinnt so die Liebe der Grafentochter. Aufgrund des Standesunterschieds bedarf es jedoch erst zahlreicher Bewährungsproben, anhand derer sich Lewfrid über alle Standesgrenzen hinweg als der gräflichen Familie ebenbürtig erweist, die Achtung und Zustimmung des Grafen gewinnt und schließlich die Hand Anglianas erlangt. Nach dem Dahinscheiden des Grafen wird Lewfrid Herr über die Grafschaft.
"Der Goldfaden" kennzeichnet die Entwicklung der höfischen Erzählweise hin zum deutschen bürgerlichen Prosaroman. In einer Aneinanderreihung einzelner Episoden, Elementen des höfisch-ritterlichen Romans sowie von Liedeinlagen im Stil des Meistersangs wird anhand des Werdegangs Lewfrids dargestellt, wie der Tugendadel an die Stelle des Adels von Geblüt tritt. Clemens Brentano, der das Werk als "kulturhistorisches Dokument" schätzte, veranlasste 1809 eine Neuausgabe.
"Der Goldfaden" ist das zweite größere Prosawerk des Colmarer Autors Jörg Wickram (um 1505-um 1562), der insbesondere als Verfasser der Schwanksammlung "Rollwagenbüchlein" (1555) bekannt wurde und in seinen späteren Lebensjahren als Stadtschreiber in Burkheim wirkte.