GSB 7.1 Standardlösung

Buch des Monats Oktober 2024:
Chronologische Übersicht der wichtigsten Personen und der denkwürdigsten Ereignisse aus der Geschichte von Erschaffung der Welt bis auf gegenwärtige Zeit. Halle : Gebauer, [1810] 1 Papierrolle [7,1 x 357 cm] in Köcher.
(Erworben von der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main, Signatur: W 3010)

Bekanntermaßen ist Kuriosität nicht die Leitmaxime für die Erwerbung eines Titels für die Sammlung Deutscher Drucke. Doch zeichnet sich dieses hier vorgestellte Werk durch eine markante Besonderheit hinsichtlich seines Formats aus, so dass es im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Frankfurter SDD-Gesamtbestand von weitgehend unikalen Titeln des 19. Jahrhunderts herausragt.

Der Titel ist geradezu minimalistisch, wenn man sich die äußere Beschaffenheit des dazugehörigen Werks anschaut: „Chronologische Übersicht der wichtigsten Personen und der denkwürdigsten Ereignisse aus der Geschichte von Erschaffung der Welt bis gegenwärtige Zeit“, wobei die gegenwärtige Zeit 1810, dem Erscheinungsjahr, endet, der letzte Eintrag führt die Gründung einer Universität zu Berlin an (die erst seit 1949 den Namen Humboldt trägt). Kurioser mutet der erste Eintrag an, richtig: die Erschaffung der Welt, datiert auf 3984 vor Christus, als Referenz-Person firmiert hier „Adam“. Und noch kurioser die Länge der Übersicht, misst doch die nur 7cm breite Papierrolle mit historischen Ereignissen 357cm! Konsequenterweise wurde mit der Rolle ein Papierköcher als Aufbewahrungsort mitgeliefert, was den Transport, nicht aber die Handhabbarkeit erleichtert. Für jeden, der an schneller Aufrufbarkeit von Wissen interessiert war, ein Usability-Alptraum. Von der Erschaffung der Welt bis zur Gründung Roms ist man schon dreizehn Zeilen später, wie überhaupt die „denkwürdigsten Ereignisse“ aus der klassischen Antike in rasanter Folge gelistet werden.

Erschienen ist das Werk in der Halleschen Druckerei, Verlags- und Buchhandelsfirma Johann Jacob Gebauer, einem der renommiertesten deutschen Verlage des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Wer der Kompilator war, wird zumindest nicht aufgeführt, auch in der im Rahmen eines DFG-Projekts 2014 erstellten Bibliographie der Verlagsproduktion taucht die Papierrolle nicht auf, wohl aber ein fast gleichnamiges Buch, dessen Chronologie bis 1811 reichen soll (aber ebenfalls 1810 endet) und von „J. G. Kühnemann und Kollegen an der Hauptschule zu Halle“ zusammengestellt wurde. Dieses wiederum wird in gängigen wissenschaftlichen Zeitschriften der Zeit wie etwa dem „Morgenblatt für gebildete Stände“ vom Verlag angezeigt und beworben, nicht aber das wundersame Werk im Rollenformat. Bei dem Versuch, mehr über J. G. Kühnemann herauszufinden, stößt man auf eine Suchanzeige im „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“ vom Februar 1856, in der der Verleger J. Wiesike (Brandenburg) dessen Aufenthaltsort und genaue Adresse erfahren möchte.

Erfahren möchte man auch, wie eine solche voluminöse Wissensrolle fabriziert wurde. Zumindest kann berichtet werden, dass die „Chronologische Übersicht …“ häppchenweise Stück für Stück ausgerollt im Digitalisierungszentrum der UB Frankfurt gescannt wurde, wobei gleich mehrere Mitarbeiterinnen Hand anlegen mussten.

https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/urn/urn:nbn:de:hebis:30:4-314326