Spiel, Spass, Zeitvertreib
Folgende ausgewählte Beispiele, die das breite Sammelspektrum der Sammlung Deutscher Drucke dokumentieren, werden in einer Ausstellung in der Schatzkammer der Bayerischen Staatsbibliothek München vom 18.9. bis 7.11.2014 gezeigt.
Modellbücher
Auch nach 25 Jahren gibt es immer noch ein Buch ...
Exponat der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main
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Carl Werner : Kurzgefaßtes Lehrbuch über Weberei zum Gebrauche für Webeschulen und zum Selbstunterricht. Enthaltend die Lehre vom Weben und Berechnung der Stoffe. [Mit Mustertafeln]. - Burgstädt : Polster, ca. 1865. - 184 S., 64 lithogr. Tafel, 61-64 mit 6 echten Stoffmustern. Signatur: 18/25047
Carl Werner, der Verfasser dieses Lehrbuches, war Weber in Glauchau in Sachsen. Dort hatte bereits im 14. Jahrhundert das Tuchmacherhandwerk eine große wirtschaftliche Bedeutung. Mit Beginn der Industrialisierung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Textilwirtschaft weiter. Im Jahre 1824 wurden die ersten Spinnmaschinen eingesetzt, mechanische Webstühle kamen ab dem Jahr 1864 zum Einsatz. Textilien aus Glauchau waren europaweit begehrt. Im Vorwort des Lehrbuches bekennt der Verfasser, dass er sich auf Wunsch des Verlegers M. Polster entschlossen hatte, dieses Werk zu schreiben, welches nur über die sächsische oder sogenannte sächsische Modeartikel-Weberei handeln sollte, da ein solches bisher nicht erschienen war und für Webeschulen oder zum Selbstunterricht benötigt wurde. In zwölf Abschnitten erschließt sich dem Leser praxisnah vielerlei über das Weben im Allgemeinen, vom Berechnen der Stoffe, über Bindungen und Schnürungen bis hin zur richtigen Bedienung der „Jacquardmaschine“. Der Jacquard-Webstuhl, eine von dem französischen Seidenweber Joseph-Marie Jacquard (1752-1834) entwickelte Konstruktion, ermöglichte das Weben mit großer Musterung. Auf den Textteil des Bandes folgen 60 Mustertafeln sowie die Tafeln 61-64 mit echten Stoffmustern.
Spiele
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Exponat der Bayerischen Staatsbibliothek München
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Thomas Murner : Doctor thomas Murners Narrenbeschweerung. – Straßburg : Johann Knobloch d. Ä., 1518. – [174] Blatt, Titelholzschnitt, zahlr. Holzschnitte. Signatur: Res/P.o.germ. 2093 r
Der Franziskanermönch Thomas Murner (1475–1537), einer der wichtigsten und wortgewaltigsten Gegner Luthers, wendet sich mit seiner in Reimpaaren verfassten Moralsatire gegen die vornehmlich mit Sebastians Brants „Narrenschiff“ hereinbrechende große Zahl an Narren: „Der Narren orden ist so groß, Das er füllt all weg und stroß, Dörffer, stett, flecken, landt. Die hat uns all sebastian brant, Mit bracht im narren schiff.“
Angereichert durch zahlreiche, der Bibel oder bekannten Schwanksammlungen entlehnter Sprichwörter und Redensarten schuf Murner ein eigenständiges Werk, das sich in seiner sprachlichen Schärfe und beißenden Kritik an der Gesellschaft und im Aufzeigen der Missstände deutlich von Brants Narrensatire abhebt.
Ausgehend von einer sprichwörtlichen Redensart resümiert ein Vierzeiler zu Beginn eines jeden Abschnitts die nachfolgende Kritik. Dabei werden nicht nur die Todsünden behandelt, sondern auch menschliche Laster und Torheiten in all ihren Ausprägungen aufgeführt.
Der vorliegende Holzschnitt zeigt einen Narren, der seine Würfel mit einem Hut zudeckt. Eine Erläuterung des betrügerischen Hütchenspiels, wie wir es heute noch mit der garantierten Aussicht auf Verlust der eigenen Barschaft vornehmlich von Tourismuszentren und Märkten kennen, darf in dem hier gezeigten Abschnitt „Under dem hietlin spilen“ keinesfalls erwartet werden. Vielmehr wendet sich Murner mit diesem Ausdruck, der heute als „ein verstecktes Spiel treiben“ gebräuchlich ist, gegen betrügerische und egoistische „Narren“, die aus Machtstreben und Geldgier eigene Interessen zum Nachteil der Mitmenschen durchsetzen und damit das Gemeinwohl und die Gesellschaft schädigen.
Mode
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Exponat der Bayerischen Staatsbibliothek München
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Andreas Musculus : Vom zuluderte[n], zucht und ehrerwegnen, pluderichten Hosen Teuffel, vermanung vnd warnung. – [Erfurt : Gervasius Stürmer], 1556. – [16] Blatt, Titelholzschnitt. Signatur: Mor. 1297 d
Über Geschmack und neue Modeerscheinungen lässt sich bekanntlich trefflich streiten. So wetterte der brandenburgische Superintendent und streitbare evangelische Theologe Andreas Musculus (1514–1581) in seiner 1556 erschienenen Predigt gegen den „Hosenteufel“, dem er die Verbreitung der Pluder- und Pumphosen zuschrieb. Mit diesem Werk erzielte Musculus ungewollt einen großen literarischen Erfolg als volkstümlicher Schriftsteller und wurde zum Hauptinitiator der sog. „Teufelsbücher“ seiner Zeit.
Die Mode der Pluder- und Pumphosen kam Mitte des 16. Jahrhunderts auf und wurde durch Söldner und Landsknechte verbreitet. Für die Herstellung eines solchen Kleidungsstücks wurden allein über drei Meter Stoff und insbesondere mehrere Meter kostbarer und teurer Futterseide benötigt, um zwischen zahlreichen Stoffstreifen die überweite Futterhose hervorquellen zu lassen. Ein aufgebauschter, überdimensionierter Latz vervollständigte dieses Outfit.
In acht Abschnitten geißelt Musculus den verschwenderischen Mode-Luxus und die damit einhergehenden Unsitten seiner Zeit: Indem sich die modesüchtigen Menschen dem äußeren Schein einer prächtigen Gewandung hingeben, wird dem Sittenverfall Vorschub geleistet und werden die Werte und Traditionen des eigenen kulturellen Umfeldes negiert. Gezeigt wird der Titelholzschnitt, der einen Landsknecht in üppigen Pluderhosen und in passender Begleitung von zwei grotesken Teufeln darstellt.